Sellrain (AT) - Kindheitserinnerungen
Wieder so ein Stück Kindheit: Das Sellraintal, Lüsens und der Fernerkogel in Tirol. Als Kind habe ich mit der Familie hier oft die Ferien verbracht. Jeden Tag eine Tour, immer war ein Gipfel oder eine Hütte das Ziel. Das hat mit Sicherheit auch den Grundstein für meine Trailrunning-Aktiviäten in den Bergen gelegt und meine Liebe zu den Bergen forciert. Während ich als Kind mit bemerkenswerter Leichtigkeit diese Berge rauf und runter bin, bedarf es heutzutage schon etwas mehr Anstrengung. Und tief drin in mir sind immer noch diese Bilder als ich den Lüsener Fernerkogel das erste Mal sah. Wenn man in Lüsens steht und diesen Brocken sieht, bleibt einem erst mal die Luft weg. Das hat sich eingebrannt. Viel Jahre nach meiner Jugend haben mein Bruder und ich ihn nochmal besucht. Damals war nicht so sehr das Wandern im Vordergrund (obwohl wir den Zischgeles mit 3004m bestiegen), sondern vielmehr das Fotografieren. Damals hatten wir noch das komplette Analogequipment dabei: Mamyia RB67, Leica R6.2, Nikon. Alles viel zu schwer, aber die Faszination war da und mit ihr die schönen Erinnerungen. Warum erzähl ich das? Weil mich genau diese Faszination in diesem Herbst wieder an diesen Ort kommen lässt. Und wieder mit schwerem Gepäck, alleine und diesmal digital mit der Fuji GFX50s. Mir egal was das Zeug wiegt, ich schleppe das hoch. Wer weiß wann ich den Berg nochmal sehe. Ich quartiere mich in Gries (AT) in einer Ferienwohnung ein. Die ist etwas modrig, fließend kaltes Wasser, die Heizung geht nicht... aber sie ist ein Schnäppchen. Ich habe aber auch immer ein Glück... :-).
Am Freitag starte ich in Praxmar, gehe hoch in Richtung Roter Kogel und wandere im Sonnenschein auf den Fernerkogel zu. Heute steht reines Location-Scouting und Genusswandern auf dem Plan, für Fotos bin ich zu spät dran. Ich suche mir DEN Hotspot für morgen früh, so was im Dunkeln zu suchen und zu glauben, man findet eine gute Stelle, ist Irrsinn. Dabei hilft mir die App Locus-Maps. Ich markiere darin GPS-Punkte an Stellen, an denen es sich rentieren könnte und zugleich mache ich mit dem Smartphone noch jeweils ein Foto. Der Berg ist gigantisch, aber das Licht am frühen Nachmittag ist einfach nicht mein Ding. Runter vom Berg bis Lüsens und zurück zum Auto. Ich entscheide mich dazu den Abend im Kühtai am mittleren Plenderlesee zu verbringen. Mit dabei Gaskocher und Instant-Essen. Das Kühtai ist im Winter die Ski-Hochburg und im Sommer ein Armutszeugnis an den Naturschutz. Mir ist unbegreiflich, wie man so viel kaputtmachen kann. Meine Sonnenstands-App hat mich nicht im Stich gelassen. Ich stehe genau richtig und das Abendlicht verzaubert den See und die umliegenden Berge in eine traumhafte Kulisse.
Nach einer schlimmen Nacht in der "Ferienwohnung" starte ich am nächsten Morgen um 4 Uhr zu meinem Hotspot. Ich parke in Lüsens und steige 500 Höhenmeter nach oben. Jetzt merke ich das Gewicht der Ausrüstung so richtig. Aber aufgeben gibts nicht, dabei lauthals fluchen hilft, aber irgendwann geht mir dafür die Luft aus. Oben angekommen ist es grausig kalt, ich ziehe trockene Kleidung an und dennoch zieht's wie Hechtsuppe. Kaffee hätte ich jetzt auch gerne. Es ist stockfinster, gegenüber habe ich besten Blick auf den schemenhaften Berg. Hinter mir grunzt in 10 Meter Entfernung ein Gamsbock. Er kann mich mit meiner Stirnlampe nicht richtig einordnen und zieht irgendwann weiter. Dann dämmert's, it's Showtime. Der Berg wechselt minütlich sein Erscheinungsbild, ein Bild besser als das andere. Bis die Farbtemperatur der Sonne nichts mehr hergibt, dann steige ich ab und entdecke noch ein paar leuchtende Birken im morgendlichen Streiflicht und erwische sie noch rechtzeitig, bevor die Sonne dann endgültig zuschlägt. Danach sitze ich am Bach und wärme mich im Sonnenlicht erst mal auf.
Der Zustand in meiner Ferienwohnung ist allerdings für eine weitere Nacht nicht haltbar und ich reise einen Tag früher ab. Licht und Schatten liegen nah beieinander...