Entschleunigung im Wildgerlostal (AT)

Jungferntour mit der Fuji GFX50s

Was auf meiner letzten Tour in die Eng als Hirngespinst begann, hat sich nun in Form einer Fuji GFX50s manifestiert. Ich hatte den Systemwechsel vom Vollformat zum Mittelformat vollzogen. Mein Sohn Adrian hatte sich für diese Tour ebenfalls eine GFX ausgeliehen. Wenn die Bilder nichts werden, liegts zumindest nicht an den Kameras.

Tatort Nationalpark Hohe Tauern (Österreich)

Adrian und ich stehen 09:00 Uhr morgens auf dem Parkplatz Finkau, es ist kalt. Ziel ist die Zittauer Hütte im Wildgerlostal auf 2350m und noch ein Stück höher. 3 Stunden sind veranschlagt - laut Wegweiser, wir werden vorsätzlich länger brauchen. Zum einen wollen wir fotografieren und zum anderen schleppen wir jeder eine schwere Ausrüstung mit Objektiven, Stativen, Akkus, Gaskocher, persönlichem Gepäck und einigem mehr hoch. Unter 20 Kilo wiegt keiner der Backpacks (Das ist jetzt kein Gejammer, wir wollten das so :-) ).

Ich nenne es mal "schwerwiegende" Entschleunigung. Der erste Wald bietet bereits unglaubliches Fotopotential. Die Sonne ist noch hinter dem Berg, der Bachlauf liegt im Schatten und ermöglicht uns noch Langzeitbelichtungen ohne ausgefressene Lichter und absaufende Tiefen. Wir gammeln dort lange rum und sind im Element. Als die Sonne durch die Bäume scheint, trotten wir weiter durch das Wildgerlostal. Vor uns immer das Wildgerloskees, der Gletscher der Reichenspitzgruppe im Blick. Die markanten Gipfel Gabler und Reichenspitze thronen über dem Tal. Die Mittagssonne strahlt was das Zeug hält, an anspruchsvolle Fotografie ist jetzt nicht mehr zu denken, nur Licht und Schatten. Wir knipsen im Gehen Erinnerungsfotos – den Smartphones sei Dank. Wir kommen nach 5 Stunden und einem herzhaften Aufstieg an der Zittauer Hütte an.
Der Untere Wildgerlossee liegt traumhaft eingebettet in den Bergen und Assoziationen zu den Fjorden in Norwegen keimen auf. Wir hauen uns erst mal die Bauch auf der Sonnenterasse der Hütte voll und genießen den Blick zum See. Wir sind von der Gastfreundschaft, Freundlichkeit und der gastronomischen Leistung in dieser Höhe mehr als angetan. Später checken wir ins Matratzenlager ein. Die Hütte ist hochmodern und urgemütlich, dennoch ruft die Arbeit:
Weiter geht's zum 200 Meter höher gelegenen oberen Wildgerlossee. Hier ist Einsamkeit angesagt, es blüht noch das Wollgras und es ist unendlich still. Kein Mensch weit und breit. Der Plan ist, bis zur vollkommenen Dunkelheit zu bleiben, um in dieser Unberührtheit alle Facetten des Lichts einzufangen. Kaum ist die Sonne weg, haut uns das einsetzende Farbenspiel schier aus den Latschen. Staunen und konzentrieren gleichzeitig. Und ordentlich frisch wirds jetzt, der Gaskocher versagt seinen Dienst in der Höhe und ein Müsliriegel muss als Abendessen herhalten. Ganz anders ists bei den Kameras, die stecken das weg. Die Apparate sind sauschwer und ohne Stativ machen wir hier ohnehin keinen Shot. ZUgroß ist die Gefahr, die Bilder zu verwackeln. Wir machen einige Panoramafotos fürs Stitching und hauen hauen unendlich Fotos raus, sicher ist sicher. Backupfotografie im Farben- und Höhenrausch. Zu meinen Zeiten der Analogfotografie, habe ich mir jedes Bild genau überlegt, Film war teuer. Heute habe ich nur Sorge, dass die Akkus nicht lange halten. Aber selbst hier machen die Kameras eine gute Figur. Wir schleppen allerdings auch einiges an Akkus mit hoch. Ein Stromausfall wäre jetzt das Letzte was ich brauchen könnte.

Wir leisten uns den Luxus, einige Shots fürs Fokusstacking zu machen. Das Wollgras im Vordergrund und den Gletscher am Horizont knackscharf zu haben, sind einfach eine zu verlockende Vorstellung. Dann ist's schnell stockfinster, über uns die Sterne und wir steigen mit Stirnlampen zur Hütte ab. Unterwegs gehen aber immer noch "schnell" ein paar Fotos von der Milchstraße. Hier oben ist die Lichtverschmutzung gleich Null und die spontane Astrofotografie Pflicht.

Nach einer nahezu sauerstofflosen Nacht im Matratzenlager ziehen wir am nächsten Morgen um 5 los. Ich habe Kopfweh und es ist stockfinster, der Hüttenwirt hat uns Kaffee in einer Thermoskanne bereitgestellt. Den brauchen wir auch dringend und sind kurz drauf erneut unterwegs zum oberen Wildgerlossee. Glücklicherweise ist der Weg trocken, die großen Felsplatten sind in nassen Zustand nicht selten glitschig. Wir trotten im Schein der Stirnlampen hoch und denken uns, wenn der Sonnenuntergang so gut funktioniert hat, tut das auch der Sonnenaufgang. Es ist sternenklar und als die Dämmerung anbricht, zaubert das erste Licht eine unglaubliche Stimmung in die Bergwelt. Die Violett- und Rottöne, vermischt mit dem Blau der Felsen lassen uns öfter die Kinnlade runterklappen. Nachdem die Sonne endgültig aufgegangen ist und das goldene Licht vorbei ist, steigen wir wieder ab, vorbei an der Hütte und runter ins Tal. Und unten in der Sonne funktioniert auch der Gaskocher wieder...

Krimmler Wasserfälle

Wir legen noch einen extra Tourismus-Tag an den Krimmler Wasserfällen ein. Bisher haben wir immer nur Bilder gesehen, aber das muss man schon mal erlebt und gesehen haben. Fotografisch reduziert sich das Ganze leider auf ein paar wenige Aussichtspunkte. Wir sind noch platt von den Eindrücken der Hüttentour und können den Menschenmassen und dem Heischen nach Attraktionen nichts abgewinnen. Wir entschließen uns, die Fälle am nächsten Morgen nochmal anzugehen. Kein Trubel und besseres Licht – so unsere Hoffnung. Und tatsächlich ist außer uns noch niemand da und es gelingen uns auch ein paar ganz brauchbare Shots. Dank der relativ hohen Wasserdichtigkeit der GFX-Gehäuse kann ihnen der Sprühnebel des Wasserfalls nichts anhaben. In weiser Voraussicht, hatte ich aber ein Mikrofasertuch dabei, die Linse ist in wenigen Sekunden zu. Das Steckfiltersystem steht mit dem Sprühnebel allerdings komplett auf Kriegsfuß, ich habe keine Chance. Der Sprühnebel kriecht sogar hinter den Filter. Dann muss es halt ohne gehen...
Fazit
Die Kamera ist eine Wucht, nicht nur vom Gewicht her. Die GFX50s fotografiert sich wie ein "richtiger" Fotoapparat aus meiner Analogzeit. Sie liegt gut und schwer in der Hand. Das Teil am Griff gepackt, da hat man was in der Hand. Die Abbildungsleistung der Objektive ist über jeden Zweifler erhaben. Mag sein, dass manches ein wenig vignettiert, ein klein wenig verzeichnet oder auch mal am Rand ein bissel unscharf wird, ja und? Die Plastizität der Aufnahmen sprechen für sich...

Vewendetes Equipment

  • Fuji GFX50s
  • Fujinon 32-64mm/f4
  • Fujinon 100-200/f5.6

Website Adrian: adrianschiefele.com