Bayerwald im Herbst - Man lernt nie aus...

Es ist immer so eine Sache: Man hat Bilder von etwas im Kopf, dann steht man davor und die Bilder sind nicht deckungsgleich mit der Realität. Für gewöhnlich neigen wir dazu, dass wir frustriert sind und keinen sonderlichen Gefallen daran finden, was wir stattdessen sehen. Bekommt man dieses Kopfkino in den Griff, indem man alles nur betrachtet und sich darauf einlässt, wird man überascht sein, was sich da vor einem abspielt.
Von was ich rede? Mein Sohn Adrian und ich waren im Herbst noch einmal im Bayerwald. Ich hatte Bilder von Nebelstimmungen, bunten Bäumen und "moody weather" im Kopf. Wir zogen tagelang los - früh morgens weit vor Sonnenaufgang raus aus den Federn und waren unterwegs, bis uns nur noch die Stirnlampen den Nachhauseweg zeigten. Und immer waren wir auf der Suche nach den Bildern im Kopf.

Aber es kam anders. Es war trocken, mild und der Föhn blies allen Dunst weg, das genaue Gegenteil. Mitunter wehte der laue Wind sogar so kräftig, dass er uns und unseren Stativen das Fotografenleben unnötig schwer machte. Wir hatten alle Locations vorher sorgfältig ausgewählt, aber das Wetter war nicht annähernd so, wie wir das im Kopf hatten. Und dennoch - oder gerade deswegen - gelang es uns, nicht das Beste, sondern etwas Anderes daraus zu machen. Wir sahen stattdessen diese feine Violettfärbung vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang, wie sie nur im Herbst zu sehen ist. Tagsüber wurden wir reichlich mit  sehr weichem Herbstlicht beschenkt. Die Sonne scheint um diese Jahreszeit nicht mehr in der Intensität, wie sie es im Sommer tut und hohe Wolken mildern das direkte Licht. Das vermeintlich immergrüne Gras auf den schwimmenden Inseln am kleinen Arbersee färbt sich orange-gelb und liefert sich mit dem dunklen Wasser ein prächtiges Farbenspiel. Die Rieslochfälle habe ich in Herbstfarben schon lange nicht mehr so intensiv erlebt,  selbst die Farben der nassen Felsen erschienen mir intensiver. Und das Moos entlang des weißen Regens leuchtete in einer Intensität, dass es fast unglaubhaft kitschig wirkte.
Jetzt sitze ich am farbkalibrierten Monitor und habe diese Bilder im Kopf und staune über die Aufnahmen die sich mir offenbaren. Man lernt nie aus...